Immunogene und immunogenetisch stumme Mutationen bei Krebs


  Während die Rolle des adaptiven Immunsystems, bei der Eliminierung bestehender Tumore zunehmend erkennbarer herausgetreten ist, entzieht sich dessen Rolle bei der Beseitigung von Krebszellen während früher Stadien der Karzinogenese weiterhin der Untersuchung.

  Mit The Cancer Genome Atlas (TCGA)-Daten sollte durch Anwendung eines mathematischen Modells die Beteiligung einzelner Krebsmutationen und humanes Leukozytenantigen (HLA)-Allelen am Immunoediting-Prozess (Elimination) abgeschätzt werden.

  Von allen häufig in bekannten Krebs-Treibergenen auftretenden Einzelnukleotid-Mutationen wurde die Immunogenität auf einem Plot erfasst.
Hierfür wurden aus DNA-Sequenzierungsdaten von TCGA (The Cancer Genome Atlas)-Patienten (7.300 mit 33 Krebshistologien) zunächst alle Mutationen herausgefiltert, die in 125 bekannten Treiber-Mutationen vorkommen (➙ 26.361 Neoantigene).
Anhand von Paaren der potenziellen 9mere der Treiber-Mutationen mit den Wildtyp-Peptiden (n=237.000) wurden unter Verwendung eines mathematischen Modells die Bindungsaffinitäten zu 84 verbreiteten HLA-Allelen berechnet (➙ ca. 20 Millionen Bindungsaffinitäten).
Die Bindungsaffinitäten wurden den jeweiligen Treiber-Mutationen zugeordnet, die sich hierdurch in 24.555 hochaffine Neoantigene und 1.806 immunogenetisch stumme Neoantigene aufteilen ließen.


 

Verbreitete Mutationen bringen immunogenetisch stumme Peptide hervor
Die Mehrheit der Treiber-Mutationen verfügen über HLA-bindende Epitope zu mehreren HLA-Allelen. Andererseits kommen auch unter herkömmlichen Mutationen solche vor, die wie BRAF V600E and KRAS G12D zu überhaupt keiner der 84 HLA-Allelen starke Bindungen eingehen.

Einzelne HLA-Allele binden jeweils zwischen 3,5% und 18,6% der charakterisierten Neoantigene.

Bindungsaffinität zu HLA-Allelen und Krebs-Suszeptibilität
Es wurde vermutet, dass spezifische HLA-Allelen, die zu starken Bindungen mit Neoantigenen befähigt sind, bei den TCGA-Patienten unterrepräsentiert sind. Sie sollten bei der Eliminierung neoplastischer Zellen im Rahmen des Immunoediting-Prozesses dafür gesorgt haben, dass Individuen mit diesen Allelen seltener in Krebsstatistiken auftauchen.

Um den Anteil der untersuchten Allele am Immunoediting-Prozess abzuschätzen, wurde eine Liste der HLA-Allelen mit starken Bindungspartnern zusammengestellt, die mit mehr als 5% an der TCGA-Population beteiligt sind (29/84). Zum Vergleich diente eine Liste der entsprechenden HLA-Allele, die anhand der Daten des Knochenmarkregisters von überwiegend jungen Erwachsenen gewonnen wurde.

Es wird ein weiter Bereich von Immunoediting (Eliminierung von Krebs in der Frühphase) über die 29 HLA-Allelen hinweg festgestellt. Mit 44% war eine Allele auf der Vergleichsliste am höchsten unterrepräsentiert. Neun der 29 HLA-Allelen waren maßgeblich mit einem Schutzeffekt gegen frühe Neoantigene assoziiert. Andererseits wurde auch festgestellt, dass zahlreiche verbreitete HLA-Allelen nicht wesentlich am Immunoediting beteiligt zu sein scheinen.

Die Bindungsaffinität zu den am Immunoediting von Krebs-Neoantigenen beteiligten HLA-Allelen war stärker als die zu nicht beteiligten HLA-Allelen (p = 0,015).



❏ Von häufigen Krebsmutationen wie BRAF-V600E und KRAS-G12D kann vorhergesagt werden, dass sie an keine der verbreiteten HLA-Allelen binden und daher in der Bevölkerung “immunogenetisch stumm” sind.

❏ Neun von 29 verbreiteten HLA-Allelen tragen unangemessen zum Immunoediting (zur Eliminierung) früher in die Karzinogenese involvierter onkogener Mutationen bei.

❏ Die Daten gewähren Einsicht in die Immunevasion verbreiteter Treiber-Mutationen und bilden eine molekulare Grundlage für den Zusammenhang bestimmter HLA-Genotypen mit der Krebssuszeptibilität.


Yarmarkovich M, Farrel A, Sison III A, et al. 2020. Immunogenicity and immune silence in human cancer. Front Immunol 11:69.

September  2020

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