Für Cisplatin-ungeeignete Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom (mUC) wurden unlängst
die Immun-Checkpoint-Inhibitoren Pembrolizumab und Atezolizumab als Alternative zur
Carboplatin-basierten Chemotherapie für die Erstlinien-Behandlung zugelassen.
Ihr Einsatz wurde nachträglich auf PD-L1-positive Patienten beschränkt, für die eine Platin-enthaltende
Chemotherapie nicht in Frage kommt. Solange keine abschließenden Ergebnisse aus direkten, randomisierten
Vergleichsstudien mit auf den Patienten zugeschnittenen Endpunkten – wie insbesondere Überlebensparametern –
vorliegen, besteht für Ärzte und Patienten Bedarf an Orientierungshilfe aus der Real World Evidence.
In einer retrospektiven Kohortenstudie sollte die Effektivität der Immuntherapie gegenüber der
einer Carboplatin-basierten Chemotherapie als Erstlinienbehandlung von nicht für Cisplatin
geeigneten Patienten mit mUC im routinemäßigen klinischen Betrieb verglichen werden.
Anhand der Flatiron Health Database wurde eine retrospektive Kohortenstudie mit
mUC-Patienten durchgeführt, die zwischen Januar 2011 und Mai 2018 entweder eine
Carboplatin-basierte Chemotherapie oder eine Immuntherapie als Erstlinien-Behandlung
erhalten hatten. Das Kollektiv umfasste Patienten mit einem Urothelkarzinom (Stadium-IV)
der Harnblase, des Nierenbeckens, des Ureters oder der Urethra. Um die Kaplan-Meier-
und Cox-Regressionsmodell-Schätzungen des Behandlungseffekts in dieser beobachteten
Kohorte möglichst frei von verzerrenden Einflüssen zu halten, wurde die Propensity-Score-basierte
„inverse probability of treatment weighting“ (IPTW)-Schätzung angewendet.
Gewichtete und ungewichtete Baseline-Charakteristika:
Von 2.017 Patienten mit mUC hatten 1.530 eine Carboplatin-basierte Chemotherapie und 487
eine Immuntherapie als Erstlinien-Behandlung erhalten. In der Immuntherapie-Gruppe war eine
|
|
Abb.:
IPTW-adjustierte Kaplan-Meier-Schätzungen für Gesamtüberleben. Die Zahlen oberhalb der X-Achse
geben zum jeweiligen Zeitpunkt die Anzahl Patienten an, die als risikogefährdete Kohorte verblieben ist.
|
PD-L1-Testung nur bei 7% der Patienten durchgeführt worden. Das ist konform mit den originalen
Indikationshinweisen, in denen bei nicht Cisplatin-geeigneten Patienten keine PD-L1-Testung
angeordnet war.
Die ungewichteten Baseline-Charakteristika waren zwischen den Behandlungsgruppen weitgehend
übereinstimmend. Allerdings hatten die mit der Immuntherapie startenden Patienten häufiger
einen schlechten Performance-Status 2 (33% vs. 24%) und vermehrt Komorbiditäten.
Gesamtüberleben: Während des Follow-up waren 1.219 Patienten gestorben
(939 mit Erstlinien-Chemotherapie und 280 mit Erstlinien-Immuntherapie).
Die Kaplan-Meier-Kurven mit und ohne IPTW-Adjustierung zeigten ähnliche Verläufe.
Erstere ergaben ein medianes Gesamtüberleben (OS) von 9 Monaten in der Immuntherapie-Gruppe
und von 11 Monaten in der Gruppe mit Carboplatin-basierter Chemotherapie.
Die geschätzte OS-Rate war in der Immuntherapie-Gruppe mit 40% signifikant niedriger
als in der Gruppe mit Carboplatin-basierter Chemotherapie mit 46% (p=0,05).
Nach 36 Monaten hatte sich das Verhältnis deutlich ins Gegenteil verkehrt
(28% vs. 13%; p<0,001; Abb.).
Exploratorische Subgruppenanalysen:
In einer exploratorischen Analyse wurde die 6-Monats-Überlebensrate zwischen den
PD-L1-getesteten Patienten in beiden Behandlungsgruppen verglichen.
Dabei schnitten die PD-L1-negativen Patienten der Immuntherapie-Gruppe (n=18)
in Relation zu denen in der Chemotherapie-Gruppe (n=55) ungünstiger und bei den
PD-L1-positiven Patienten (n=9) günstiger als die in der Chemotherapie-Gruppe (n=16) ab.
Von insgesamt 818 Patienten (41%) mit einer Zweitlinien-Therapie erhielten 41 von 106
aus der Immuntherapie-Gruppe ein Platin-basiertes Regime. In der Chemotherapie-Gruppe
waren es 279 von 712 Patienten, die eine Immuntherapie in der Zweitlinie erhielten.
Die Immuntherapie war in den ersten 12 Monaten mit einem geringeren
zweitlinienfreien Intervall als die Chemotherapie assoziiert, und ähnlich wie das OS
kehrte sich das Verhältnis danach um (HR=1,18, 95% KI 1,03–1,36, p=0,02)
bzw. (HR=0,38, 95% KI 0,20–0,71, p=0,003).
❏ Auf kurze Sicht war die Überlebensperspektive für Cisplatin-ungeeignete Patienten
mit einer Carboplatin-basierten Chemotherapie gegenüber einer Immuntherapie als Erstlinien-Behandlung verlängert.
❏ Hatten die Patienten ein Jahr überlebt, war die Immuntherapie im weiteren Verlauf mit
einem deutlichen Überlebensvorteil assoziiert.
❏ An dem Real World Evidence aus der klinischen Routine können sich Ärzte und Patienten
orientieren bis alle Ergebnisse aus den laufenden Studien KEYNOTE-361 und IMvigor-130 vorliegen.
|
Feld E, Harton J, Meropol NJ, et al 2019.
Effectiveness of first-line immune checkpoint blockade versus carboplatin-based chemotherapy
for metastatic urothelial cancer. Eur Urol 76:524-532.
|