Patienten mit NDO leiden bei suboptimaler Therapie oft unter Folgeerkrankungen,
zudem kann sich ihre Lebenserwartung verkürzen [2]. Leitlinien empfehlen für die
Erkrankung in erster Linie orale Anticholinergika als Erstlinientherapie [3], die
Wirkstoffe rufen nicht selten Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit oder
Obstipation hervor [4]. Bei einer Dosiseskalation erhöht sich die Wirkung, aber
auch die Nebenwirkungen nehmen zu [4]. „Mit intravesikalem Oxybutynin steht
eine Option für die Zweitlinien-Behandlung der NDO zur Verfügung, wenn
Patienten nicht adäquat mit oralen Anticholinergika eingestellt sind oder nicht
akzeptable Nebenwirkungen auftreten“, erklärte Dr. Almuth Angermund, Schön
Klinik Vogtareuth, innerhalb des Pressegesprächs. VESOXX® ist eine
Oxybutyninhydrochlorid-Lösung zur intravesikalen Anwendung [1].
Intravesikales Oxybutynin blockiert Muskarinrezeptoren der Harnblase, verringert
die prä-synaptische Ausschüttung von Acetylcholin und wirkt direkt spasmolytisch
auf den Detrusormuskel [5,6]. Zusätzlich wirkt es direkt am Urothel und inhibiert
C-afferente Fasern, wodurch eine lokalanästhetische Wirkung entsteht [6-8].
Intravesikales Oxybutynin senkt den Detrusordruck, überführt ein
Hochdrucksystem in ein Niederdrucksystem und schützt dadurch die Nieren
langfristig [5, 9-12].
Eine offene, randomisierte, 3-Perioden-, Crossover-Studie mit 20 gesunden
Erwachsenen zeigte, dass intravesikal verabreichtes Oxybutynin gegenüber oralem
Oxybutynin eine höhere Bioverfügbarkeit aufweist (13). Die direkte Applikation
über den Katheter in die Blase lässt durch die Umgehung des intestinalen First-
Pass-Effekts im Vergleich zur oralen Therapie weniger Nebenwirkungen für
Patienten erwarten [13].
„Mit seiner vielfältigen Wirkweise bietet intravesikales Oxybutynin in der Therapie
der neurogenen Detrusorüberaktivität für Patienten eine gute und zur
Lebensqualität beitragende Anwendungsoption“, betonte Dr. Sajjad Rahnama'i,
Universität Maastricht / Uniklinik Aachen RWTH, in seinem Vortrag.
Die Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von intravesikalem Oxybutynin bei
NDO wurde in einer randomisierten, prospektiven, aktiv kontrollierten, offenen,
multizentrischen Studie mit 35 erwachsenen Patienten über 28 Behandlungstage
untersucht [12]. Patienten im experimentellen Arm (n=18) erhielten dreimal täglich
10 ml 0,1% Oxybutyninhydrochlorid intravesikal, Patienten im Kontrollarm (n=17)
dreimal täglich 5 mg Oxybutyninhydrochlorid oral [12]. Primärer
Wirksamkeitsendpunkt war die Veränderung der maximalen Blasenkapazität
zwischen dem Beginn der Studie und nach 4 Wochen, bewertet mittels
urodynamischer Untersuchungen [12]. Hier führte die intravesikale Gabe von
Oxybutynin zu einer Steigerung der maximalen Blasenkapazität um 117 ml
gegenüber 18 ml bei oraler Applikation. Die Differenz erwies sich als statistisch
signifikant (p=0,0086) [12].
Dr. Angermund präsentierte weitere Ergebnisse einer umfangreichen Meta-
Analyse zu Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von anticholinergen
Medikamenten bei der Behandlung von erwachsenen Patienten mit NDO, die
zeigen, dass keines der untersuchten Anticholinergika einem anderen überlegen
war [14]. „Falls ein Patient mit neurogener Detrusorüberaktitivät ein
Antimuskarinum nicht verträgt oder die Wirkung unzureichend ist, sollten Ärzte
davon absehen, die oralen Substanzen mehrfach zu wechseln. Vielmehr empfiehlt
sich eine schnelle Umstellung auf die intravesikale Behandlung“, führte Dr.
Angermund aus.
Daten einer Beobachtungsstudie mit dem Ziel, den Einsatz von oralem
Oxybutynin nach der Verabreichung von Botulinumtoxin A bei Patienten mit NDO
zu untersuchen, zeigen, dass der Gebrauch von Anticholinergika während der
Botulinumtoxin-Behandlung der neurogenen Detrusorüberaktivität eine weitere
Anwendungsmöglichkeit darstellt [15]. In der Untersuchung wurden prospektive
Daten von 105 Teilnehmern aus zwei italienischen Zentren behandelt [15]. Die
Patienten wurden im Rahmen der Studie 30, 120, 180 bzw. 270 Tage (Besuch 1, 2, 3
und 4) nach der Botulinumtoxin-Verabreichung nachbeobachtet [15]. Es zeigte
sich ein deutlicher Anstieg des Gebrauchs oraler Anticholinergika bei der
Nachuntersuchung nach 180 Tagen von etwa 50% im Vergleich zum vorherigen
Besuch und nur noch 2,9% der Patienten waren zu diesem Zeitpunkt ohne
zusätzliche anticholinerge Co-Medikation [15].
„Mit individueller Dosierung und dem durch Studiendaten gezeigten günstigen
Nebenwirkungsprofil verfügt intravesikales Oxybutynin über gute Eigenschaften,
um die Anwendung von Botulinumtoxin bei NDO bedarfsgerecht zu begleiten. Die
Instillation kann dazu beitragen, die Zeiträume zwischen den Botulinumtoxin-
Injektionen zu verlängern“, erklärte Dr. Rahnama'i. Durch die Injektion von
Botulinumtoxin in die glatte Muskulatur des Detrusors wird im Allgemeinen eine
Wirkdauer von 8-9 Monaten erreicht [16]. Bei wiederholter Anwendung kann in
einzelnen Fällen die Wirkung nachlassen [17]. Red.
Juni 2021
Intravesikales Oxybutynin: Multimodaler Wirkmechanismus
Früher Wechsel zu 2line-Behandlung mit intravesikalem Oxybutynin bei NDO
NDO-Therapie individuell abstimmen: Co-Medikation zur Botulinumtoxin-
Behandlung
[1] VESOXX® Fachinformation Stand: Juli 2020.
[2] Kurze I. Neurogene Blasenfunktionsstörungen (nBFS) bei Spina bifida - aktuelle
Behandlungsmöglichkeiten. Teil 1: Konservative und minimal invasive Therapie. ASBH Brief
2012; 04: 34-41; (Fachbeitrag).
[3] Haensch CA, Jost W, Kaufmann A, et al., Diagnostik und Therapie von neurogenen
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Zuletzt abgerufen am 25.05.2021; (S1-Leitlinie).
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0,1% Lokaltherapie nach oraler anticholinerger Medikation bei Kindern und Jugendlichen
mit neurogener Blasenfunktionsstörung durch neurogene Detrusorhyperaktivität (NDO).
Vortrag 18 präsentiert auf der 30. Jahrestagung DMGP, 17.-20. Mai 2017, Ulm, Deutschland;
(retrospektive Studie mit intravesikalem Oxybutynin, n=30).
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